Antisemitismus auf der Bühne

Die »Tabubrecher«

Für linke Politik ist die Bühne ein wichtiger Raum sowohl der Selbstverständigung als auch der Agitation. In der Kunst kann erprobt werden, was sich nicht so einfach in Worte fassen lässt – gesellschaftliche Missstände oder Entwürfe vom besseren Leben. Gerade in Zeiten, in denen Gesellschaftskritik nicht anders geäußert werden kann. Die Freiheit der Kunst vor staatlicher Zensur bedeutet nicht, dass Kunst nicht kritisiert werden darf. Dennoch wird oft versucht, mit dem Verweis auf die Freiheit der Kunst Antisemitismusvorwürfe zu entkräften.

Wie in jedem Bereich der Gesellschaft finden sich auch in der Kunst antisemitische Ressentiments. Sie werden auch dann wirksam, wenn die Künstler*innen eine andere Absicht verfolgen. Ein Autor kann ein antisemitisches Bühnenstück schreiben, eine Malerin antisemitische Bildelemente verwenden, selbst wenn beide den antisemitischen Gehalt bestreiten oder sich darauf berufen, lediglich gesellschaftlich vorhandene Stereotype dargestellt zu haben. Die Freiheit der Kunst erlaubt diese Rückzugsmöglichkeit und nicht selten wird hinter dem Vorwurf, ein Kunstwerk sei antisemitisch, eine Verletzung der Kunstfreiheit gewittert. Dabei wird häufig vergessen, dass Kunst, nur weil sie Kunst ist, nicht jenseits der Kritik steht.

Die Dankesrede des Schriftstellers Martin Walser zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche 1998 ist wohl das prominenteste Beispiel künstlerischer Abwehr von Antisemitismuskritik:

»Wenn ich merke, daß sich in mir etwas dagegen wehrt, versuche ich, die Vorhaltung unserer Schande auf die Motive hin abzuhören, und bin fast froh, wenn ich glaube entdecken zu können, dass öfter nicht das Gedenken, das Nichtvergessendürfen das Motiv ist, sondern die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken.«

Die vermeintliche »Auschwitzkeule« gehört heute zum gängigen Argumentationsrepertoire antisemitischer Weltdeutungen. Vier Jahre später veröffentlichte Walser seinen Roman »Tod eines Kritikers«, in dem er dem Literaturkritiker und Shoah-Überlebenden Marcel Reich-Ranicki in antisemitischer Weise charakterisierte. Hanno Loewy warf zu der nachfolgenden Debatte im »tagesspiegel« auf:

»Ist er nun ein Antisemit oder nicht? Eine dumme Frage: Wer weiß schon, was jemand wirklich ›ist‹. Die Frage hat den Vorteil, dass man sie nicht beantworten, das heißt: endlos debattieren kann. Vielleicht wäre es interessanter zu fragen, warum Bücher voller antisemitischer Bilder so einen Erfolg haben?«

»Wir haben über unsere
Gefühle gesprochen
und die über ihre Kunst.«