Über die Ausstellung
Gegenwärtig wird Antisemitismus kaum mehr offen ausgesprochen. Seit dem Nationalsozialismus ist das Ressentiment gegen Jüdinnen und Juden verpönt. Doch nach wie vor sind antisemitische Einstellungen in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft verbreitet. Sie äußern sich jetzt aber über Umwege: in der Ablehnung des Staates Israel, als Verschwörungstheorien über die »Banker an der Ostküste« und in Codewörtern und Chiffren wie »Globalisten« oder »Rothschild«. Dadurch werden antisemitische Ressentiments gesellschaftsfähig, »ehrbar«, wie es der Schriftsteller Améry formulierte.
Antisemitismus hält sich nicht zuletzt deshalb so hartnäckig, weil er mehr ist als ein bloßes Vorurteil: Antisemitismus ist eine emotional aufgeladene Art, sich die Welt zu erklären – ein Hass, der gegen die Zumutungen der Moderne wütet und dabei nach Schuldigen sucht. Auch die politische Linke ist dagegen nicht immun. Sich als links zu begreifen, ist keine Garantie, vor dieser Denkform geschützt zu sein.
Der linke Antisemitismus ist das Gegenteil von gut, das bekanntlich nicht nur das Schlechte ist, sondern oft auch das Gutgemeinte. Wenn sich antisemitische Ressentiments und Argumentationsmuster in linke Politik weben, laufen sie letztlich dem Kampf für eine bessere Welt zuwider. Dass linkspolitische Theoriebildung und Praxis maßgeblich zum Verständnis des Antisemitismus beigetragen haben, ist dabei besonders tragisch.
Die Ausstellung will nicht gesellschaftskritische Anliegen untergraben, sondern sie im Gegenteil stärken – indem sie zur Diskussion stellt, wo die Anliegen hinter ihre eigenen Ansprüche zurückfallen.
Wir folgen dabei einer Topographie von Räumen, in und an denen linkspolitische Kritik geübt wurde. Dort zeichnen wir die Traditionslinien des antisemitischen Ressentiments nach: in der Wohnung, am Kiosk, an der Universität, im Supermarkt, auf der Bühne und der Straße. Wir beginnen im Jahr 1968, als mit der Neuen Linken jenseits von Parteilinien neue Protestformen aufkamen – Sit-Ins, Besetzungen, Guerilla-Aktionen –, die zum Teil heute noch Anwendung finden. Zu diesem Zeitpunkt kippte außerdem die vormals eher israelsolidarische Stimmung der westdeutschen Linken in den Antizionismus, der antisemitische Bilder wieder sagbar machte.
In der gegenwärtigen Konjunktur rechtspopulistischer, neurechter und offen neonazistischer Bewegungen, die ihre Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden kaum verhohlen auf die Straße und in die Parlamente tragen, kann man sich fragen, warum es ausgerechnet in dieser Zeit eine Ausstellung über Antisemitismus in der politischen Linken braucht. Die Befürchtung ist weitverbreitet, durch die Diskussion von Antisemitismus in den eigenen Reihen, würde die politische Linke geschwächt. Dabei ist es doch umgekehrt: Antisemitismuskritik befähigt überhaupt erst dazu, Gesellschaft zu verstehen und damit auch kritisieren zu können. Die Flucht ins antisemitische Ressentiment verstellt den Blick – es verunmöglicht den Kampf für eine Welt, in der sich ohne Angst verschieden sein lässt.
In der Ausstellung wird auf geschlechtersensible Sprache geachtet, allerdings kann eine einheitliche Schreibweise zu inhaltlichen Fehlern führen, wenn etwa von nationalsozialistischer Täter*innenschaft gesprochen und damit die rigide Geschlechterordnung im NS unsichtbar gemacht wird. Auch beziehen sich einige antisemitische Bilder primär auf »den Juden«; in diesen Fällen wird ebenso nur das generische Maskulinum verwendet.