Lebensfragen
am Kiosk
Welche Art
von Links
willst du sein?
Pueblo Tabak oder Lucky Strike? Bio-Zisch oder -Coca-Cola? Junge Welt oder Jungle World? Slime, Kaveh, Arbeiter- und Soldatenlieder oder Egotronic, Das Flug und Alles Scheisze auf den Kopfhörern? Gehen wir nachher auf die Ska- oder Technoparty? Trägst du einen Pali-Schal oder Nike-Sneaker? Parka oder Windbreaker? Welche Buttons hast du? Was liest du? Was likest du auf Facebook? Und vor allem: Wie hältst du es mit Israel?
Die deutsche Linke ist spätestens seit den 1990er Jahren stark polarisiert, als der »antiimperialistische diffuse Grundkonsens« (Thomas Haury) zunehmend in Frage gestellt wurde. Wie stehen die Einzelnen zu Antisemitismus? Ihr Begriff und die Kritik am Nationalsozialismus sowie dessen Kontinuitäten in Bundesrepublik und DDR unterscheiden sich ebenso wie ihre Theorien der Gesellschaft und aktivistische Praxis. All das sind Aspekte, die tief in den Alltag hereinreichen. Politische Positionierungen können sich selbst in trivialen Momenten wie der Getränkewahl am Kiosk ausdrücken. Das Kiosk (Berlin: Spätkauf, Frankfurt: Trinkhalle) unterstreicht als Ort der Beiläufigkeit diese Alltäglichkeit. Differierende politische Haltungen drücken sich oft in unterschiedlichen Stilen und Klischees aus, deren Bedeutung Uneingeweihten nicht sofort ins Auge springt. Solche Codes machen sich etwa dann bemerkbar, wenn jemand mit ›Pali-Schal‹ nicht auf eine linke Soliparty darf. Oder wenn Teilnehmerinnen einer Demonstration gegen Antisemitismus von Aktivisten aus dem »internationalistischen Block« ihre Israelfahnen weggerissen werden. Ob bewusst oder nicht: Diese Zeichen verorten einzelne Personen in bestimmten Szenen. Aber wie kommt es eigentlich dazu? Wo verlaufen die Konfliktlinien? Was waren die historischen Brüche und wie schlagen sich diese bis heute nieder?