Die
Bitburgaffäre
»Warum gab es keine großen Demonstrationen?«, fragte Moishe Postone 1985 in einem offenen Brief an die deutsche Linke. Der Historiker brachte damit seine Enttäuschung über das Desinteresse der bundesdeutschen Linken an dem Treffen zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und US-Präsident Ronald Reagan in Bitburg zum Ausdruck. Die Politiker hatten gemeinsam den Soldatenfriedhof in Bitburg besucht, wo neben Wehrmachtssoldaten auch SS-Leute – Beteiligte am Massaker in Oradour – beigesetzt sind.
Vor allem ehemalige NS-Verfolgte in den USA kritisierten diesen als Versöhnungsgeste ehemaliger Kriegsgegner gedachten Staatsakt, da sich das US-amerikanische Staatsoberhaupt auf die Seite der Opfer und nicht auf die Seite der Täter*innen stellen solle. Seitens der nicht-jüdischen deutschen Linken gab es jedoch kaum Kritik. Postone kritisierte diese Linke, sich bei Reagans Besuch drei Jahre zuvor mit 400.000 Menschen an einer Friedensdemonstration in Bonn gegen Aufrüstung beteiligt zu haben, aber das Bitburger Treffen nicht als Ausdruck der Erinnerungsabwehr, Verdrängung und Normalisierung des Nationalsozialismus ernstgenommen zu haben.