Notstand BRD
Als 1968 die Notstandsgesetze verabschiedet werden sollten, gingen zehntausende Demonstrant*innen dagegen auf die Straße. Die Notstandsverfassung ermöglichte im Krisenfall eine Einschränkung von Grundrechten durch den Staat. Bereits ab 1958 hatte es von konservativer Seite immer wieder entsprechende Gesetzesentwürfe gegeben, denen die SPD jedoch lange nicht zugestimmt hatte. Erst unter der Großen Koalition (1966–1969) ergab sich die nötige Zweidrittelmehrheit.
Damals teilten immer mehr Menschen die Sorge, dass auf diese Weise ein neues Ermächtigungsgesetz eingeführt und demokratische Grundrechte grundlegend gefährdet würden – ähnlich wie 1933, als der Deutsche Reichstag mit dem Beschluss des Ermächtigungsgesetzes Hitler faktisch alle gesetzgebende Gewalt übertragen hatte. Insbesondere die Studierendenbewegung, Schüler*innen, Gewerkschaften, Verbände von ehemaligen NS-Verfolgten, aber auch Liberale protestierten. Die sogenannte APO (Außerparlamentarische Opposition) richtete sich dagegen, dass im Falle des Notstands die Grundrechte – wie z. B. Versammlungsfreiheit oder das Post- und Fernmeldegeheimnis – eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt werden konnten.
Was unterscheidet die damaligen NS-Vergleiche von jenen, die heute immer wieder in Bezug auf Israel angestellt werden? Ein wichtiger Unterschied ist, dass es 1968 mehr als heute darum ging, reale personelle Kontinuitäten und Bezüge zur NS-Geschichte transparent zu machen. Denn vielfach waren es dieselben Personen, die zuvor noch direkt oder indirekt an NS-Verbrechen beteiligt waren, in der jungen BRD wieder wichtige Posten bekleideten und nun maßgeblich die Einschränkung von Grundrechten vorantrieben.
Verkürzte Faschismusanalyse?
Die Gleichsetzung des nationalsozialistischen Deutschlands mit der BRD war für die politische Linke vielfach naheliegend aufgrund der personellen Kontinuitäten. Hans Globke beispielsweise, der im Nationalsozialismus eine Reihe judenfeindlicher Erlasse anfertigte, konnte in der jungen Bundesrepublik von 1953 bis 1963 unter Adenauer bis zum Chef des Bundeskanzleramts aufsteigen. Darüber hinaus verfehlten linkspolitische Kritiken doch häufig, was den Nationalsozialismus von einem herkömmlichen kapitalistischen Staat unterschied: der Vernichtungsantisemitismus. Oftmals wurde der NS lediglich als besonders aggressiver, kapitalistischer und imperialistischer Polizeistaat interpretiert und dabei die konstitutive Bedeutung der Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden für die Ideologie des NS ignoriert. Das Diktum Max Horkheimers, dass vom Faschismus schweigen solle, wer über den Kapitalismus nicht reden will, wurde hier fehlverstanden, indem man beide Herrschaftsformen in eins setzte. Von dort aus war es nur noch ein kurzer Weg, den USA als kapitalistischem Staat Faschismus nachzusagen.