Antisemitismus in Konsum-
und Globalisierungskritik

Kauf Dich glücklich

Insbesondere seit den 1990er Jahren wuchs in der Linken die Kritik an der zunehmenden Globalisierung der Produktionsverhältnisse und damit verbundener internationalen Arbeitsteilung: Menschenunwürdige, gefährliche und schlecht bezahlte Arbeit wird an Länder des globalen Südens delegiert, um die Konsumbedürfnisse vor allem im globalen Norden zu befriedigen. Als Strategie gegen diese Entwicklungen wurde das Verhältnis von Konsument*innen und Waren in den Mittelpunkt der Kritik gerückt. Woher kommt, was auf unseren Tellern liegt? Wer hat das T-Shirt gemacht, das ich trage?

War Konsum immer schon ein wichtiger Kritikpunkt der Neuen Linken, wurde dieser in der Globalisierungsbewegung stark mit der eigenen Lebenspraxis verknüpft. Man wollte als Verbraucher*in den eigenen ethischen Ansprüchen gerecht werden, das heißt im Verbrauch sowohl ökologisch als auch solidarisch handeln.

Ethischer Konsum kann jedoch nicht verhindern, sich als Individuum in kapitalistischen Gesellschaften zwangsläufig in Widersprüche zu verstricken: Denn auch gerechte Bezahlung für Bauern ändert nicht grundsätzlich etwas an der Klassengesellschaft, und auch nachhaltig produzierte Waren erfüllen weiterhin eine marktwirtschaftliche Funktion – dieser Zwiespalt kann nicht durch individuelle Konsumentscheidungen aufgelöst werden.

In der Ökobewegung folgt oft aus der gängigen Unterteilung in einen ›richtigen‹ und einen ›falschen‹ Konsum die Aufspaltung des Kapitalismus in den vermeintlich natürlichen Aspekt der Hand- und einen künstlichen der Kopfarbeit. In dieser Entgegensetzung gilt es, die ›natürliche‹ Seite zu leben und die ›künstliche‹ zu bekämpfen. Dabei wurden historisch wie aktuell Jüdinnen und Juden mit der ›künstlichen‹ Seite des Kapitalismus in Verbindung gebracht: Sie gelten als Inbegriff des Wurzellosen, Abstrakten, Artifiziellen, kurz: der ›Schattenseite‹ des Kapitalismus. Diese Vorstellung liegt dem antisemitischen Stereotyp zu Grunde, alle jüdischen Menschen würden intellektuelle- oder Handelsberufe ausüben.

»Was man braucht ist nicht Harmonie, sondern Streit.«

Jutta Ditfurth