Im Rausch der Aktion
Im Januar 1969 kam es im Institut für Sozialforschung in Frankfurt zum Eklat. Studierende hatten das Institut besetzt und Theodor W. Adorno, der die Leitung von seinem Kollegen und Freund Max Horkheimer zehn Jahre zuvor übernommen hatte, rief die Polizei, um die Besetzung zu räumen. Viele Studierende fühlten sich in der Ansicht bestätigt, dass die Kritische Theorie für eine revolutionäre Praxis nicht zu gebrauchen, sondern bloße Gedankenspielerei sei. Für Adorno und seine Kolleg*innen sah die Sache freilich widersprüchlicher aus: Die kritischen Theoretiker*innen standen der politisierten Studierendenschaft durchaus sympathisierend gegenüber. Jedoch begriffen sie ihre Theorie selbst als Praxis und befürchteten wiederum, die Revolte der Studierenden könnte in Autoritarismus, in die konformistische Rebellion kippen. Tatsächlich zeigte der Umgang der Studierendenschaft erstaunlich wenig Reflexion der eigenen Aktionsformen. Überlebende der Shoah wie Adorno, die sich vor der Erfahrung des Nationalsozialismus eine gewisse Skepsis gegenüber Aktionismus bewahrten, wurden teilweise umstandslos den reaktionären Kräften in der Bundesrepublik zugeschlagen, so sie sich nicht klar auf die Seite der anzustrebenden Revolution schlugen.